Auf einem Stapel liegt vor einem Haus
Ein Holzscheit, sieht ganz anders aus.
Nicht kantig, dunkel oder rau
Sondern viel heller – schau genau!
Es friert im kalten Wind,
Der um die Ecken pfeift geschwind.
Foto von Sasha kh aus Unsplash
Da kommt der Schreiner Wohlgemut,
Und denkt: »Ein Feuerchen, das tät’ jetzt gut!«
Füllt seinen Korb bis obenhin,
Und trägt ihn zum Kamin,
Freut sich auf Wärme in seinem Heim,
Doch dann sieht er unser Holz, so hell und fein.
»Zum Verbrennen ist das Holz zu schade,
Könnt’ was draus machen, so schön gerade!«,
Spricht der Schreiner und beginnt zu überlegen:
»Ein Stuhlbein oder doch besser zersägen?«
Er nimmt das Stück und stellt’s auf seine Bank,
Hebt das Beil, will das Holz schlagen, hübsch schlank.
Schon trifft das Eisen das helle Scheit,
Der mit einem Mal laut schreit:
»Au, mein Bauch, hör auf zu schlagen!
Nicht noch einmal, ich kann’s nicht ertragen!«
Es reißt den Schreiner, er kann’s nicht glauben,
Soll er trauen seinen Ohren und Augen?
Vor Schreck wird er ganz blass, dann grün,
Hat er sich verhört und falsch gesehen?
Verärgert sucht der Schreiner Wohlgemut,
Nach einem Scherzbold, der ihn wohl ärgern tut,
Aber egal wo er auch schaut,
Da ist niemand und so ruft der Schreiner laut:
»Wo bist du bloß, du Wicht!
Noch einmal täuschst du mich nicht!«
Wieder nimmt er das Beil zur Hand,
Holt aus und trifft des Holzes Rand.
»Au! Dieses Mal war’s mein Kopf! Geh weg!«,
Schreit es und der Mann erstarrt vor Schreck.
Träumt er? Spricht das Holz schon wieder?
Ein Zittern fährt durch seine Glieder.
»Jetzt ist aber genug!«,
Ruft da der Schreiner Wohlgemut,
Legt den Holzscheit flach auf die Bank,
Und holt den Hobel aus dem Schrank.
»Hör auf, hör auf, das kitzelt!«,
Das helle Holz nun witzelt.
Da sinkt auf die Knie, der Schreiner, er fasst es nicht,
Von Grün auf Grau wechselt sein Gesicht.
Ein lachender Holzscheit unter seinem Hobel!
Ein Holz nicht dumm, sondern scheinbar nobel!
Mit Stimme, die zu ihm spricht!
Das gibt’s doch nicht!
Zaghaft nimmt er das Scheit zur Hand.
»Wer bist du, den ich auf meinem Stapel fand?«,
Fragt er mit zittriger Stimme und staunt,
Als das Holzscheit leise raunt:
»Das weiß ich nicht so genau,
Aber ich kann wunderschön tanzen, schau!«
Da befreit sich das helle Scheit und hüpft über des Schreiners Bank,
Der runzelt die Stirn: »Das ist doch allerhand!
Tanzen nennst du das? Sieht mir nicht so aus!«,
Ruft Wohlgemut und holt erneut das Beil heraus.
»Was hast du vor?« Das Scheit hält inne.
»Dir zu helfen, halt schön stille!«
Und dann geduldig und mit Bedacht,
Arbeitet der Schreiner die ganze Nacht,
Schnitzt und hobelt, schleift und feilt,
Bis ein neuer Morgen über die Baumwipfel eilt,
Und als der erste Sonnenstrahl das Holzscheit berührt,
Erhellt sich des Schreiners Gesicht und er spricht gerührt:
»Vollendet das Werk! Es ist vollbracht!«
Und stellt das Scheit auf die Werkbank, ganz sacht.
Das Scheit mustert sich von unten bis oben,
Fragt sich, was der Schreiner da hat zu loben.
Doch dann sieht es auf einmal ganz klar,
Was mit ihm die ganze Nacht lang geschah:
Aus dem hellen Holzscheit war entstanden,
Ein winziges Mädchen, erlöst von des Holzes Banden!
Da spricht der Schreiner: »Nun tanze, mein Kind!«
Und schon dreht sich das Mädchen, wie der Wirbelwind,
Tanzt und hüpft und springt und lacht,
»Seht mich nur an, wer hätte das gedacht?!«
Zufrieden nickt der Schreiner und lächelt stolz:
»So mancher Schatz ruht unter rauem Holz!«
Und nun, ihr Lieben, dürft ihr raten,
Wer seither begleitet den Schreiner in Werkstatt und Garten.
Fröhlich tanzt, hilf und sorglos ruht,
Gut behütet von Schreiner Wohlgemut.
by Claudia Krupensky
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